Ist Biel bald bankrott?

Julián Rodriguez Ugolini, Stadtrat, SP:PS November 2021

Biels finanzielle Schwierigkeiten sind das Resultat bürgerlicher Finanzpolitik auf kantonaler und nationaler Ebene. Wie schlimm ist die Lage wirklich? Und wie kommen wir wieder raus?

Dass sich Biel in finanzieller Schieflage befindet, ist kein Zufall. Das heutige Defizit ist Teil einer seit Jahrzehnten andauernden Spirale bürgerlicher Politik, welche zum Ziel hat, den Staat auszuhöhlen. Auf nationaler und kantonaler Ebene werden Steuergeschenke für Unternehmen beschlossen und der Finanz- und Lastenausgleich wird geschwächt. Zudem schiebt der Kanton Bern immer mehr Aufgaben an die Gemeinden und Städte ab und beteiligt sich immer weniger an den Kosten. Biel ist als Stadt mit vielen Unternehmen, einer unterdurchschnittlich wohlhabenden Bevölkerung und vielen Zentrumslasten von all diesen Effekten direkt betroffen.

Besonders verheerend war vor kurzem das Bundesgesetz vom September 2018 über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF), welches neue Steuerschlupflöcher für Unternehmen kreiert hat. Die versprochenen Kompensationszahlungen des Bundes fielen viel zu tief aus und der Kanton gab kaum was an die Städte weiter. Der von der SVP ausgerufene Angriff gegen die Städte ist in Wirklichkeit seit Jahrzehnten Tatsache. Solange sich auf kantonaler und nationaler Ebene die Mehrheiten nicht ändern, wird es auch so weitergehen. Die nächsten Steuergeschenke für Grossunternehmen sind bereits in Planung.

Etwa die Hälfte der 30 Millionen Franken, welche der Stadt Biel für 2022 fehlen, sind coronabedingte Steuerausfälle. Ein beträchtlicher Teil der restlichen 15 Millionen sind auf die Steuergeschenke der STAF und der Unternehmenssteuerreform II zurückzuführen. Solche Defizite müssen mit Reserven gedeckt werden. Ändert sich nichts, sind die ordentlichen Reserven 2025 aufgebraucht und es müssen zweckgebundene Rückstellungen aufgelöst werden. Sind auch diese Reserven aufgebraucht, würde der Kanton Bern übernehmen und der Stadt wohl nebst einer Steuererhöhung auch die Streichung vieler Ausgaben im soziokulturellen Bereich verordnen. Reserven werden dafür gemacht, durch Krisenzeiten zu kommen, und es ist richtig, diese in der Coronakrise zu verwenden. Das Problem ist, dass die Reserven auch ohne Corona schrumpfen würden.

Damit ist klar, dass es Massnahmen braucht. In der Verwaltung ist die Zitrone schon ausgepresst. Biel hat bereits heute proportional weniger Personal als andere Städte und bräuchte so manche Stelle mehr. Zudem soll nicht beim kulturellen, sozialen und sportlichen Angebot abgebaut werden, da Biel ein Einnahmenproblem und nicht ein Ausgabenproblem hat.

Zum einen muss sich am Finanzausgleich etwas ändern. Auch das Bevölkerungswachstum kann helfen, Fixkosten auf mehr Steuerzahlerinnen und -zahler zu verteilen. Dies wird jedoch kaum reichen und kann auch nicht allein von Biel entschieden werden. Es braucht langfristig grössere Investitionen, welche Einnahmen generieren. Wir fordern Investitionen in den Bau und Kauf von Wohn- und Geschäftsimmobilien, wie es andere Städte vormachen. Um solche Investitionen zu tätigen, kann sich Biel verschulden, ohne die Reserven anzuzapfen, weil die Stadt ein sehr grosses Vermögen hat und sehr tiefe Zinsen bezahlen muss.

Allerdings würden solche Investitionen nur mittelfristig fruchten. In der Zwischenzeit werden wir wohl leider nicht um eine Steuererhöhung herumkommen. Und weil in den letzten Jahren fast ausschliesslich Unter nehmen von Steuersenkungen profitiert haben, wäre es nichts als gerecht, die Gewinnsteuern für Unternehmen stärker zu erhöhen als jene für die arbeitende Bevölkerung.

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