Pflegenotstand: Fünf vor zwölf war schon vor Corona

Susanne Clauss, Co-Präsidentin SP Biel, Stadträtin, SP:PS November 2021

Seit der Pandemie wird das Ausmass des Pflegenotstandes sichtbar und rückt in den Fokus der Öffentlichkeit. Pünktlich um 21 Uhr wurde jeweils Applaus gespendet. Doch Applaus alleine genügt nicht. Es braucht klare und rasche Massnahmen um etwas vom Existentiellsten einer sozialen Gesellschaft, nämlich die Pflege von Betagten und Kranken, in den nächsten Jahren sicher zu stellen. Der jahrelange Kampf, welcher ausserhalb der Öffentlichkeit stattfand, hat keine Verbesserungen gebracht. Hier die Gründe, warum es ein klares JA zur Pflegeinitiative braucht.

Auf Grund des demografischen Wandels werden gemäss der Nationalen Dach- Organisation der Arbeitswelt Gesundheit bis zum Jahr 2030 zusätzlich 65’000 qualifizierte Pflegende benötigt. Die Schweiz bildet weniger als die Hälfte des jährlichen Bedarfs an Pflegefachpersonen aus. Im Juli 2020 waren schweizweit über 7’900 Stellen für Pflegefachpersonen offen. Viele der Pflegenden zeigen Symptome von Burnout und Depression. Pro Jahr geben etwa 2’400 Pflegefachpersonen ihren Beruf auf. Fast ein Drittel davon sogar noch vor dem 35. Lebensjahr. Der Pflegenotstand ist bereits vielerorts Realität. Noch kompensiert das bestehende Pflegepersonal die unbesetzten Stellen. Doch sie arbeiten zunehmend unter Bedingungen, die es verunmöglichen, die ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten so zu pflegen, wie diese es benötigen. Die Qualität leidet zunehmend. In der Schweiz durchgeführte Studien von 2019 (Prof. Dr. Michael Simon et al.) belegen, dass mit einer höheren Personalausstattung und besser ausgebildetem Pflegepersonal in Spitälern und Pflegeheimen Hunderte von Todesfällen und unnötige Spitaleinweisungen vermieden werden könnten. Das verringert Leiden und Kosten.

Was fordert die Volksinitiative?

Ziel ist es, dass Bund und Kantone die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung anerkennen und fördern und für die gesamte Bevölkerung Pflege von hoher Qualität gewährleisten. Die Initiative fordert, dass eine genügend grosse Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen für den zunehmenden Bedarf zur Verfügung steht und dass die in der Pflege tätigen Personen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden. Die Aus- und Weiterbildung in der Pflege sind finanziell zu unterstützen. Der Ausbildungslohn muss erhöht werden, damit mehr Berufseinsteigerinnen und -einsteiger motiviert werden. Zudem brauchen Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit attraktive Anschlussmöglichkeiten und Perspektiven, damit sie die Ausbildung überhaupt in Angriff nehmen. Damit die Sicherheit der Pflege gewährleistet bleibt, wird die maximale Anzahl Patientinnen und Patienten, für die eine Pflegefachperson in ihrem Bereich zuständig sein darf, festgesetzt. Das garantiert Qualität, effizienten Mitteleinsatz und eine längere Berufsverweildauer dank erhöhter Arbeitszufriedenheit. Die Finanzierung der Pflegeleistungen soll dem tatsächlichen Pflegeaufwand entsprechen. Die Abgeltung muss gewährleisten, dass genügend Personal mit der richtigen Qualifikation (Kompetenz- und Ausbildungs – Mix) eingestellt werden kann.

Zudem werden die Pflegenden festgelegte Leistungen selbständig, d.h. ohne ärztliche Verordnung, erbringen können. Dies fördert die Anerkennung der Berufsfachleute durch deren Selbständigkeit und spart Kosten. Der Bund sorgt dafür, dass den Pflegenden diese Leistungen angemessen vergütet werden. Der Gegenvorschlag geht dem Initiativkomitee eindeutig zu wenig weit. Er würde an der heutigen Situation kaum etwas ändern. Daher zählen wir und die Pflegenden auf ein klares JA am 28. November!

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